Nicolai startet mit TOP-Ergebnis in die Olympia-Qualifikation

Sportstiftung Saar, SaarSport-Magazin

Boris Nicolai vom BRS Gersweiler-Ottenhausen ist einer der besten Para-Boccia-Spieler der Welt. Der 36-jährige Maschinenbautechniker sitzt aufgrund einer Muskelerkrankung, die durch einen Gendefekt hervorgerufen wurde, seit 14 Jahren im Rollstuhl. Der einzige Para-Boccia-Spieler Deutschlands, der an den Paralympischen Spielen 2021 in Tokio teilgenommen hatte (Aus in der Vorrunde), arbeitet derzeit hart an seiner Qualifikation für die nächsten Paralympics 2024 in Paris.

Dafür trainiert er bis zu vier Mal pro Woche je zwei Stunden lang Boccia, ein bis zwei Mal pro Woche ist er im Kraftraum und auch Krankengymnastik gehört zu seinem Sportjahresplan, den er gemeinsam mit dem Leiter des Olympiastützpunkts, Hanno Felder, erstellt. Nach dem plötzlichen Tod seines langjährigen Trainers Edmund Minas war Nicolai im Training zunächst auf sich allein gestellt. Inzwischen wird er von Wolfgang Blöchle und Axel Riedschy vom Behinderten- und Rehabilitationssportverband (BRS) Saarland betreut. Auch wenn Nicolai selbst der größte Para-Boccia-Experte im Saarland ist, so „ist es schon wichtig, dass es Trainer gibt, die von außen drauf schauen, dass sich in den Bewegungen keine Fehler einschleichen, und auch mal neue Trainingsreize setzen“, erklärt Nicolai.

Mit Erfolg: Zusammen mit seiner Trainingspartnerin und Nationalmannschaftskollegin Anita Raguwaran tritt er auf internationalen Turnieren im Mixed an. Nur wer sich im Mixed qualifiziert, darf auch an den Einzelwettkämpfen teilnehmen. Anfang Mai holten die beiden in Rio de Janeiro sogar erstmals eine Goldmedaille bei einem Weltcup. Und das auch noch beim ersten, der zu den Qualifikationsturnieren für die Paralympischen Spiele in Paris 2024 gehört. Besser kann man nicht in eine Qualifikation starten.

„Das war so nicht zu erwarten. Das Feld war stark besetzt und wir hatten in den vergangenen Wochen in unserer Nationalmannschaft so unsere Probleme“, berichtet Nicolai und ergänzt: „Die Vorbereitung lief nicht wie gewünscht, der Bundestrainer wurde entlassen und der Teammanager trat zurück.“ Unter anderem wurden neuartige Bälle, die nach einer Änderung der Spielordnung notwendig wurden, zu spät bestellt. Den Athletinnen und Athleten blieb zu wenig Zeit, um sich vor den wichtigen Turnieren richtig einspielen und die unterschiedlichen Eigenschaften der neuen Spielgeräte kennenlernen zu können. „Das erfordert einen riesigen Trainingsaufwand, für den man normalerweise drei, vier Monate Zeit braucht – aber uns blieben gerade einmal drei, vier Wochen“, klagt Nicolai.

Trotzdem schaffte das saarländische Duo im Dienst der Nationalmannschaft in Rio den überraschenden Coup. Selbst das Team der Slowakei, Paralympics-Sieger von 2016 und 2021, hatte das Nachsehen. Und zwar in einem hochspektakulären Finale: „In diesem Spiel ist so ziemlich alles passiert, was man sich nur vorstellen kann. Von technischen Pannen des Anzeigensystems über eine medizinische Auszeit der Gegner bis hin zu einem äußerst strittigen Strafball gegen Anita und die Entscheidung im Tiebreak, also in der Verlängerung“, berichtet Nicolai von dem nervenaufreibenden anderthalbstündigen Endspiel. Mit drei perfekt gespielten Bällen im Tiebreak entschieden die beiden das Spiel für sich und sicherten sich damit nicht nur ihren ersten gemeinsamen Turniersieg, sondern auch den ersten deutschen Mixed-Sieg in der Para-Boccia-Geschichte. „Anita hat super gespielt, ohne ihre Leistung wäre die Goldmedaille nicht möglich gewesen. Wir mussten unser bestes Boccia abrufen und das ist uns glücklicherweise auch gelungen“, weiß Nicolai und gibt zu: „Uns haben die Bedingungen in Brasilien in die Karten gespielt. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit in der Halle waren es für alle herausfordernde Bedingungen, sodass wir wegen der neuen Bälle keinen Nachteil hatten.“ Im Einzelwettbewerb wurde Anita Raguwaran in ihrer Klasse Sechste, Nicolai schloss auf Platz Fünf ab.

Der Erfolg in Rio ist ein gutes Omen für die nun laufende Paralympics-Quali. Und das, obwohl ihr Kaderstatus herabgestuft wurde, weil in den Jahren 2020 und 2021 aufgrund der Einschränkungen in der Corona-Pandemie außer den Paralympics keine internationalen Wettkämpfe stattfanden. Dies hatte eine Kürzung der Fördermittel des Bundesministeriums des Innern und für Heimat sowie des Deutschen Behindertensportverbands zur Folge. Jedenfalls wird einer der nächsten Quali-Wettbewerbe, die Weltmeisterschaft im Dezember, ebenfalls in der brasilianischen Hauptstadt ausgetragen. Die vier besten Ergebnisse bei Turnieren in den Quali-Jahren 2022 und 2023 sind später ausschlaggebend für die mögliche Teilnahme an den Paralympics in Paris 2024.  „Das wäre natürlich ein Traum“, sagt Nicolai und merkt an: „Es wären dann meine ersten Paralympics vor Publikum. In Tokio waren wegen der Pandemie keine Zuschauer zugelassen und dort hätte man in der Halle eine Stecknadel fallen hören können.“ Das wird in Paris sicher anders sein – „und das gerade einmal zwei Zugstunden von zu Hause entfernt“, betont er.